Model ve Sembol – Die Erfindung der Türkei

Katja Eydel

Ministerium für Gesundheit und Soziales – Ministry of Health and Social Services, Theodor Jost, 1926–27, Ankara

Katja Eydels Installation, basierend auf Fotografien, die während eines Stipendiums in der Türkei 2005 entstanden, handeln von der Tradition der europäischen Architekturmoderne in der Türkei, von öffentlichen Plätzen und Orten politischer Repräsentation. Die Ausstellung wirkt wie ein Kontrastmittel zwischen dieser nunmehr unvermuteten Moderne und den jüngsten Entwicklungen in der Türkei.

Die Türkei hat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen enormen politischen und gesellschaftlichen Umbruch erlebt. Dieser kann einerseits als Beispiel einer modernen Staatsgründung modellhaft betrachtet werden, andererseits lohnt sich eine Beschäftigung mit der Geschichte der Türkei – die nicht nur geographisch an der Schnittfläche zwischen Europa und Asien liegt – auch in Bezug auf gegenwärtige Konflikte mit internationaler Fragestellung.

In ihrem fotografischen Projekt „Model ve Sembol. Die Erfindung der Türkei“ thematisiert die Künstlerin Katja Eydel die gesellschaftliche Modernisierung des Landes seit seiner Staatsgründung 1923 und deren Einfluss auf ästhetische und alltagskulturelle Strukturen. Das Projekt spannt einen geschichtlichen Bogen zwischen der durchaus visionären und utopischen ideellen Grundlage, die der neu gegründeten Republik unter Atatürk verliehen wurde, und der gegenwärtigen Realität ihrer gesellschaftlichen Konstruktion. Fotografisch werden Symbole und Rituale nachgezeichnet, indem ihre implizite Wirkmächtigkeit auf der Makroebene und ihre kleinteiligen und alltäglichen Verschiebungen in ein Verhältnis gesetzt werden. Es geht um die ästhetischen Inszenierungen und Choreographien, die entworfen wurden und werden.

Inhaltliche Schwerpunkte bilden hierbei die Architekturgeschichte und Stadtplanung als städteräumlicher Ausdruck des neuen Staates, die Inszenierung repräsentativer Feiertage sowie die im Zuge der Modernisierungsbestrebungen als vorbildliche Strukturen gegründeten Musterinstitutionen, die sich modellhaft vervielfältigen sollten.

Axel John Wieder

Das Kunstprojekt „Model ve Sembol. Die Erfindung der Türkei” wurde durch ein Kulturaustauschstipendium der Kulturverwaltung des Landes Berlin und durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung im Rahmen des Ausstellungs- und Katalogförderpreises Kataloge für junge Künstler gefördert und durch das BM Contemporary Art Center unterstützt.

 

Model ve Sembol – The Invention of Turkey

The focus of this photography project is on the modernization of Turkey since the founding of the Republic in 1923, and on the representation of this modernization in architecture and official holiday productions, among other forms. Turkey underwent tremendous political and social changes during the first half of the 20th century.

On the one hand, these changes can be regarded as a model of the founding of a modern state. On the other hand, an engagement of the history of Turkey – a country located at the intersection of Europe and Asia not only in a geographical sense – is fruitful also with respect to contemporary conflicts over international issues. The series of pictures spans a historical spectrum from the genuinely visionary and utopian ideological basis given to the newlyfounded Republic under Atatürk, to the present-day reality of its social construction.

Thematic foci include architectural history and urban planning, as the expression of the new state in cityscapes; the staging of representative holidays; and model institutions, exemplary structures founded as part of the modernization drive and intended as prototypes that would multiply. Tracing symbols and rituals, the photographs relate their implicit macroscopic effectiveness to the small-scale and everyday displacements they undergo. At issue are the aesthetic productions and choreographies devised in the past and present; they are emphasized by the formal language of the photographs.

Axel John Wieder